Menschen
bewerten. Das ist nichts Neues. Es gibt auch Worte, die Wertung
ausdrücken. Zum Beispiel profitabel beziehungsweise eigennützig
oder leichtfüßig beziehungsweise trampelnd. Sachlich wäre
beispielsweise gehend. So spielt auch der Tonfall eine entscheidende
Rolle. Uns wird ermöglicht allein durch Betonung Ironie zu
verdeutlichen obwohl unsere Wortwahl das Gegenteil spricht
Mir ist
aufgefallen, dass Menschen selten sachlich sind, dass sie von
sachlichem Tonfall häufig provoziert werden und dass ihnen zumeist
nicht bewusst ist, welche grundlegende Wertung sie abgeben.
Nehmen
wir das Beispiel Aufziehen von Fronten im Zeiten Weltkrieg. In einem
Gespräch sagte mein Gegenüber, dass der Zweite Weltkrieg hätte
kürzer sein können, wenn die Amerikaner die zweite Front früher
eröffnet hätten. Doch sie haben es nicht getan. Sie warteten, bis
deutlich zu erkennen war, wer gewinnen würde und dann erst griffen
sie ein. Noch dazu legten sie ihren Eingriff nicht nur als Bekämpfung
des Nationalsozialismus aus, sondern benannten ihn ebenfalls als
Mauer und damit gleichgesetzten Schutz gegen die Bolschewisten und
wurden somit als Helden angesehen.
Kurz
gesagt: Sie handelten zu ihrem größtmöglichem Vorteil.
In einem
anderen Gespräch mit besagtem Gegenüber redeten wir über Ausländer
in Deutschland. Dabei vertrat die Person die Meinung, dass
Deutschland striktere Einwanderungsgesetze erlassen sollte, weil
Deutschland sonst zu seinem eigenen Nachteil handeln würde, da zum
Beispiel ein Job dadurch nicht an einen Deutschen sondern an einen
Ausländer gehen könnte und da die deutsche Kultur durch die
Forderungen der Einwanderer leidet, gar ausstirbt.
Auf
Europaebene und in Bezug auf die Wirtschaft ließ mein
Gesprächspartner verlauten, dass Deutschland entweder aus der EU
austreten sollte oder die EU keine wirtschaftlich schwachen Länder
aufnehmen dürfe.
Kurz
gesagt: Deutschland sollte intelligenter handeln und dabei seinen
größtmöglichen Vorteil ziehen.
Um das
klar zu stellen: Es handelt sich hierbei keineswegs um einen
ausländerfeindlichen Nazi, der Immigranten geschändet sehen möchte.
Er respektiert sie – nur sieht er sie nicht gerne in Deutschland.
Hinzugefügt muss noch werden, dass meinem Gesprächspartner nicht
einmal ansatzweise jedes Mittel recht ist, um seine Ansichten durch
Taten sprechen zu lassen.
Es geht
auch gar nicht um den Inhalt unserer Gespräche. Vielmehr geht es mir
darum, dass mein Gegenüber bei ein und demselben Prinzip – nämlich
das Handeln eines Landes zu seinem eigenen Vorteil – differenziert.
Man könnte annehmen, dass das eine doch gar nicht mit dem anderen zu
vergleichen sei. Sind ja schließlich zwei verschiedene Inhalte. Aber
minimiert ausgedrückt, handelten die Amerikaner zu ihrem eigenen
Vorteil ohne Berücksichtigung der Verluste, die andere somit
hinnehmen mussten. Das wird als negativ gewertet. Deutschland
hingegen sollte zu seinem eigenen Vorteil handeln, ohne dabei zu
berücksichtigen, dass einigen Menschen dabei ein Leben des
Wohlstandes erschwert oder vorenthalten wird. Das hingegen wird als
empfehlenswert angesehen. Wo liegt also der Unterschied? Dass man
beim Einen einen gewissen Abstand hat und beim Anderen persönlich
betroffen ist? Dann sollte die Kritik wohl umformuliert werden. Aus
'Ein Land sollte nicht nur zu seinem eigenen Vorteil handeln, sondern
Beteiligte berücksichtigen.' wird 'Ein Land darf dann zu seinem
eigenen Vorteil handeln ohne Berücksichtigung anderer, wenn es
seinen „wirklichen“ Landsmännern Profit einbringt.'. Schwierige
Sache. Danach wären Zusammenschlüsse wie die EU vollkommen unnütz. Die Person hat ihre Aussagen auch nicht nach dieser Kritik
gestaltet. Jedoch wirkt es so. Was steckt also dann dahinter? Geht es
doch nicht um ein und dasselbe Prinzip? Habe ich ein wichtiges –
vielleicht auch scheinbar nichtiges – Argument übersehen, das von
einem anderen Prinzip zeugen würde?
Was ich
schlussendlich zu sagen habe, ist, dass wir öfter bis auf den Grund
unserer Wertungen und Aussagen gehen sollten, um zu erkennen ob wir
nicht manchmal nur anscheinend einen Wert, eine Meinung vertreten,
die tatsächlich aber fast schon gegensätzlich zu unseren Aussagen,
Gedanken steht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen