Freitag, 7. Februar 2014

Das erwachsene, verkümmerte Staunen

Wir sind wie Kleinkinder, wollen ständig das Neue und Aufregende erleben, möchten das Glitzern in unseren Augen und das Staunen in Form von Gänsehaut spüren, wollen, dass uns hie und da ein Oh! und Ah! Entschlüpft, ohne, dass wir es verhindern könnten.
Kinder sind scheinbar pausenlos in Bewegung und ihre Launen schlagen häufig vom einen Extrem in das andere über. Man bringt dem nur eins entgegen: Verständnislosigkeit. Wie kann man ununterbrochen krabbeln, rennen, Purzelbäume schlagen und selbst noch beim Sitzen die Füße baumeln lassen, wenn dem Erwachsenem nach dem Bezwingen des Treppenhauses bereits die Puste ausgeht? Wie kann man brüllend heulen und im nächsten Moment schon wieder den Bauch vor Lachen halten, obwohl dem Erwachsenem bereits der Nerv für ein falsches Wort fehlt?
Kinder sind grenzenlos und haben somit von dem nichts, von dem wir zu viel haben. Sie machen sich keine Gedanken darüber, ob sie fünf Mal um den Block rennen können. Sie tun es einfach. Sie überlegen sich auch nicht, ob sie genug Energie für ein weiteres Erlebnis haben. Im Gegenteil. Sie sind wissbegierig und nehmen begeistert, intensiv und ungefiltert all das auf, das für uns an Glanz und Gloria verloren hat.
Rauben wir uns selbst also das Aufregende und Freudvolle, das Intensive und Farbenfrohe? Ist es unsere Person, der wir die Missetat aufbürden sollten, und nicht der Alltag, der seinen guten Ruf einbüßen musste?
Schließlich staunen und staunen wir bis hin zu dem Punkt, an dem die Begeisterung teilnahmsloser Gleichgültigkeit weicht und wir nicht mehr Regung aufbringen können als ein lasches Schulterzucken. Wir meinen angekommen zu sein in der Sackgasse der Eintönigkeit und weil wir geradeaus stieren auf die Wand, die uns nicht weitergehen lässt, erkennen wir nicht die zahllosen Fluchtmöglichkeiten in all die anderen Richtungen. Meinetwegen fliehe hinauf, einfach über die Mauer drüber, aber fliehe. Denn ein Schwarz-Weiß-Film, insbesondere der des eigenen Lebens, hat noch nie mehr Freude aufwallen lassen als ein leuchtender und schillernder Trailer, der Wirklichkeit zu Realität werden lässt.
Für Kinder ist alles neu, weswegen die zugehörige Aufregung sie ohne Mühe begleitet. Erwachsene kennen sich aus, kennen schon vieles. Sie lassen sich begeistern bis hin zu einem gewissen Punkt und dann wollen sie nicht mehr albern sein, wollen gefasst und weltgewandt wirken. Dabei könnten wir selbst in der banalsten Selbstverständlichkeit eine grenzenlose Sensation erleben – wäre da nicht der Verstand, der uns einfach nicht verstehen lassen will, was wir doch dank unserer sagenhaften Standhaftigkeit längst verstanden haben sollten.
Dabei wollen wir doch erleben und sprachlos sein. Stattdessen beschweren wir uns nur – im Endeffekt über uns selbst. Der Alltag ist langweilig. Das Bekannte fad. Doch niemand möchte verändern und so laufen wir morgens über die vereiste Straße, die nicht gleichzeitig als funkelnder Sternenhimmel erscheinen möchte. Und so liegen wir im Sommer auf der Wiese und schenken dem eindringlichen Gesang umherschwirrender Hummeln keinerlei Gehör. Und so fallen wir abends todmüde ins Bett ohne ein Seufzen erübrigen zu können, das dem Verblüffendem des Lebens gewidmet wäre.


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