Donnerstag, 13. Februar 2014

ehrliches Verständnis anstelle von verständnisvoller Verächtlichkeit

In der Schule gibt es viele goldene Regeln. Eine davon lautet, dass man sagen darf, was man will, solange man es begründen kann. Dies zeugt dann nämlich davon, dass man seine Ansichten durchdacht hat und sie möglicherweise sogar belegen kann. Größtenteils gilt sie auch allgemein.
Diese Regel verliert erst an Gültigkeit, sobald mir eine Person gegenübersteht, die andere Meinungen nicht akzeptieren und fremde Gedankengänge nicht nachvollziehen möchte. Sie hält stur an ihrem fest und aus Angst sich zu verlieren – denn im Verlauf einer verständnisvollen Diskussion, werden das ein oder andere Mal einsichtig die eigenen Argumente entkräftigt – in der Neuorientierung, verschließt man sich vor möglichen Zweifeln.
Eine solche Person wird schnell als engstirnig, unangenehm, unsicher angesehen. Das sind alles negative Wertungen. Immerhin erzielt man so keinen Fortschritt.
Annemarie Pieper, eine ehemalige Professorin für Philosophie an der Universität Basel, schreibt in ihrem Werk „Einführung in die Ethik“ unter anderem über „Relativismus in der Moral?“. Sie beginnt damit, dass unterschiedliche Moralvorstellungen in unterschiedlichen Gruppen herrschen und erklärt anhand des Beispiels Salman Rushdie, der wegen angeblicher Blasphemie zum Tode verurteilt wurde, dass wir uns sehr wohl einmischen dürfen in moralischen Fragen außerhalb unseres Geltungsbereiches. Sie ruft zu 'kritischer Intoleranz' auf und begründet ihre Meinung dadurch, 'dass es auf einer übergeordneten, neutralen Ebene möglich sein muss,' zu einem Konsens – also eine nahezu einstimmige Einigung – zu gelangen.
Sie sagt also, dass wir anderen Gruppen unsere Moralvorstellungen nahelegen sollten, weil diese sich am Allgemeinwohl orientieren und wir uns durchaus auf Diskussionen einlassen, unsere Meinung bisher jedoch immer erfolgreich verteidigen konnten.
Dabei müsste man doch bedenken, dass diese Abweichungen von unseren Vorstellungen nur beständig sind, weil sie ebenso ihre Gründe haben. Sind wir nicht gerade so ignorant, wie wir es bei anderen bemängeln? Da wir oft nur unsere Seite beleuchten, ohne den Versuch zu starten, andere Meinungen nachzuvollziehen.
Mir hat einmal jemand geraten, in einer Diskussion eine Ansicht zu verteidigen, die vollkommen gegensätzlich zu meiner ist. So bleibt der Versuch für Verständnis nicht oberflächlich. Danach kann man schon besser darüber urteilen, ob die Meinung eines anderen wirklich derart abwegig ist oder ob sie durchaus ansehnliche Standpunkte vertritt.
Außerdem muss erwähnt werden, dass nur weil wir eine Begründung für etwas aufweisen können, es nicht automatisch dessen Richtigkeit bestätigt. Im Mittelalter begründeten der Klerus und der Adel die Ständegesellschaft damit, dass sie gottgewollt sei. Für heutige Maßstäbe ist dieses Argument absurd, weil sich neue Sichtweisen ergeben haben. Begründung ist also nicht gleich Beweis. Schließlich kann es immer sein, dass uns etwas in unseren gut durchdachten Belegen entgeht wodurch unsere Aussagen, die wir zu belegen suchen, auch an Richtigkeit verlieren.

Wenn wir Eigenschaften wie Engstirnigkeit oder kompromisslose Ablehnung bemängeln, dann sollten wir vorbildlich das Gegenteil ausleben. Wie wäre es mit mehr Verständnis und weniger Verächtlichkeit? 

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