Ich
glaube, dass wir meistens die Dinge an uns verändern wollen, die
anecken. Denn wenn etwas auffällt, dann nehmen das unsere
Mitmenschen bewusst wahr. Natürlich wird dann darüber geurteilt.
Wir wollen aber nicht, dass andere über uns ein Urteil fällen.
Immerhin kann daraus schnell eine Verurteilung werden.
Oft hört
man, dass der erste Eindruck zählt. Der zählt auch. Nur habe ich
fälschlicherweise früher gedacht, dass dieser unwiderruflich sei.
Das ging dann in die Richtung von: Oh Gott, wenn ich erst mal vor den
Augen aller im Bus Sitzenden stolpere, dann werden sie mich in
Zukunft immer als die Gestolperte ansehen. Das tun sie dann
vielleicht auch das nächste Mal wenn sie mich sehen. Wenn ich bei
diesem nächsten – oder übernächsten – Mal aber standhaft
bleiben kann, dann wird der erste Eindruck in den Hintergrund rücken.
Und wenn sie meiner Standhaftigkeit nicht genug Aufmerksamkeit
schenken, dass sie ihre Meinung ändern würden, dann hat das
Stolpern nicht mal ansatzweise genug Wurzeln in ihrem Hirn gefasst,
dass sie sich den Kopf über mich zerbrechen würden, weswegen meine
Sorgen darüber, was andere wohl von mir denken, sinnlos wären, denn
anscheinend beschäftigen sie sich nicht wirklich mit mir.
Das kann
man als Erleichterung sehen. Die haben doch ihr eigenes Leben, ihre
eigenen Sorgen. Ob da einer stolpert oder nicht, interessiert sie
nach spätestens zwei Sekunden schon wieder herzlich wenig.
Und noch
etwas. Wenn ich einen Rock mit Zebra-Muster, dazu ein schwarz-pink
gestreiftes Top und drüber einen neon-grünen Blazer trage, dann
wird mir das Urteil durch hochgezogene Augenbrauen unmissverständlich
mitgeteilt. Jetzt habe ich mich aber umgezogen, trage blaue,
einfarbige Jeans mit weißem T-Shirt und schwarzen Straßenschuhen.
Was passiert? Gar nichts. Und das gibt den Menschen oft Sicherheit.
Doch dieses Ignorieren einer Person, weil sie sich unauffällig
kleidet, ist nicht minder eine Reaktion der Verurteilung als eine
hochgezogene Augenbraue. Es entspricht dem Gedanken: 'Ach, die ist
langweilig. Die muss ich noch nicht einmal bemerken.' Welches Urteil
besser ist, darüber lässt sich streiten.
Menschen
urteilen, egal was wir tun. Das liegt in ihrer Natur. Doch liegt es
an uns, uns nicht zu verstecken und in die Hand zu nehmen, welche
Reaktion folgen soll. Wir werden nämlich wahrgenommen, es geht
letzten Endes nur um die Frage: Wie möchte ich wahrgenommen werden?
Und zu guter Letzt: Urteilen tatsächliche Bedeutung zukommen zu
lassen, ist unnötig. Denn sie werden dieser Bedeutung schlichtweg
nicht gerecht.
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