Jetzt
ist nicht das Wahre. Jetzt ist nicht alles. Zumindest nicht alles,
was möglich ist. Das jetzt von morgen, das ist es. Erstrebenswert,
atemberaubend, erfolgreich, grenzenlos. Dieser Moment ist nur der
Anlauf. Man holt aus, um Hindernisse zu überfliegen und
durchzustarten. Morgen, in einem Jahr, in der Zukunft. Jetzt ist
nämlich nur. Jetzt ist nicht sogar.
Veränderungen
erfolgen. Heute ist man nicht jener, der man vor einem Jahr war, und
vor einem Jahr war man noch weniger jener, der man vor fünf Jahren
war. Und doch. Wir nehmen den Moment nicht als solchen wahr, der er
ist. Er ist nicht alles, sagen wir. Denn wäre er alles, wären wir
jetzt schon viel mehr.
Wir
schieben auf, denken an morgen – und vergessen dabei, dass heute
gestern noch morgen war. Wir träumen. Von Wohlstand, Glück,
Erfüllung, Erfolg. Aber wir tun nichts, wir träumen nun mal.
Heute in
einem Jahr werden wir zurück schauen. So viel hätten wir erreichen
können, haben wir aber nicht. Wir werden damit abschließen, nach
vorne schauen mit Zuversicht und weiter träumen. So vergeht Jahr um
Jahr. Ehe man sich versieht, naht das Ende. Trocken werden wir
erkennen, dass unsere erstrebenswerte, atemberaubende, erfolgreiche,
grenzenlose Zukunft nie mehr als ein Traum gewesen ist. Das, von dem
wir denken, es zu wissen, werden wir ausstrahlen und es in die Welt
hinaustragen. Ein ekelhafter Beigeschmack des Träumens: Die
Einsicht, dass es nichts weiter als ein Traum gewesen ist, dass es
niemals Zukunft war, dass es niemals hätte Zukunft sein können. Und
so streichen jene Einhörner von ihrer Wunschliste, welche von
besagter Weisheit hören. Warum träumen? Bringt es doch nur
Schmerzen.
Aber
wohl ist das der Fehler. Wir haben niemals an unser morgen, an unsere
Zukunft gedacht. Wir haben niemals geplant, niemals geglaubt. Wir
haben uns vorgestellt, imaginiert. Jetzt sind wir verbittert und
meinen, das Recht dazu zu haben. Immerhin hat man uns Märchen
erzählt, uns in die Irre geführt. Von wegen, man könne alles
erreichen, das man erreichen wolle. Nichts weiter als eine riesige
Lüge. Wir meinen geglaubt, gehofft, geplant zu haben.
Aber –
haben wir denn? War es nicht viel mehr Wunschdenken als
Zukunftsvision? Wie können wir enttäuscht von dem Ausbleiben dessen
sein, das wir noch nichteinmal erwartet haben? Träume werden nicht
wahr, werden niemals wahr.
Aber
erträumte Zukunft, die wird wahr – wenn man denn das Heute als das
gestrige Morgen erkennt und Wünsche aus der Zukunft in die Gegenwart
holt.
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